Es gibt offene und geschlossene Fragen. Und es gibt Fragen, die überhaupt keine sind. „Sag mal, bist du bescheuert?“, ist keine Frage, sondern eine Anklage. „Sehen Sie denn überhaupt eine andere Lösung?“, ist allzu oft ein Appell im Sinne von: „Nehmen Sie bitte meinen Lösungsvorschlag an!“
Untersuchungen zeigen, dass nur 20% der Fragen, die wir in Gesprächen stellen, echte Fragen in dem Sinne sind, dass wir die Antwort nicht schon mitliefern, sondern offen sind für die Antwort, die unser Gesprächspartner liefert.
Und von diesen echten Fragen sind in den meisten Gesprächen ein Großteil geschlossene Fragen, also solche, die man nur mit ja oder nein beantworten kann, z.B.:
„Hast Du den Müll rausgebracht?“
„Geht’s deiner Tante wieder besser?“
Offene Fragen hingegen ermöglichen endlos viele Antworten, und sie öffnen damit viel besser die Tür zu der Gedankenwelt unserer Gesprächspartner, weil sie ihnen eine größere Vielfalt an Ausdrucksmöglichkeiten zugestehen.
Und da diese Fragen oft mit W beginnen – mit wer, wo, was, woher, welche, worüber usw. –, heißen sie W-Fragen. Hier meine persönliche #1 unter den W-Fragen: „Welche Frage wurde dir in letzter Zeit gestellt, über die du dich so richtig gefreut hast?“
Probieren Sie mal, diese Frage für sich selbst zu beantworten. Gar nicht so einfach – oder? Wir freuen uns über Komplimente, Geschenke, Erfolge, aber über welche Fragen freuen wir uns denn? Und doch: Es gibt sie, diese besonderen Fragen.
Doch beginnen wir erstmal mit etwas alltäglicheren W-Fragen, die uns im privaten wie auch im beruflichen Umfeld begegnen:
· „Was hast Du heute vor?“
· „Wie war dein Tag?“
· „Wie laufen die Vorbereitungen für dein Projekt?“
Auch im folgenden Beispiel „Reiseplanung“ wird der Unterschied zwischen geschlossenen und offenen Fragen sehr deutlich. Mann fragt Frau: „Schatz – Finnland oder Schweden?“
Das ist zwar keine ja/nein-Frage, aber trotzdem eine geschlossene, da die Anzahl der möglichen Antworten auf 2 beschränkt ist.
Wenn sie sich also einen schönen Sandstrand auf den Malediven vorgestellt hat, wie soll sie dann antworten? „Keine von beiden“, oder „Du willst wohl alleine Urlaub machen“, sind natürlich auch Optionen. Ob das dann ein angenehmes Gespräch wird, sei dahingestellt.
Eine W-Frage hingegen – „Schatz, wo willst du Urlaub machen?“ – hätte gezeigt, dass er wirklich ihre Meinung hören will. Bei offenen Fragen entfalten sich die Gedanken- und Gefühlswelten unserer Gesprächspartner, bei geschlossenen bleiben sie, naja: geschlossen.
So und jetzt zu den ganz besonderen W-Fragen, über die man sich teilweise stundenlang unterhalten kann. Eine hatten wir schon: „Welche Frage wurde dir in letzter Zeit gestellt, über die du dich so richtig gefreut hast?“
Weitere sind:
· „Was macht dich lebendig?“ (Diese Frage ist eine wirklich offene und sehr sinnvolle Frage bei Entscheidungen darüber, welches von 2 Jobangeboten man annehmen will, wohin man verreisen will, welchem Sportteam beitreten, welches Hobby ausweiten etc.)
· „Welche 3 Dinge würden dein Leben grundlegend verändern?“ (Das müssen keine Objekte sein, z.B. „mehr innere Ruhe“ geht auch. Oder: ein neues Hobby.)
· „Womit würdest Du sofort beginnen, wenn Du mit hundertprozentiger Sicherheit wüsstest, dass Du damit Erfolg haben wirst?“ (Mit dieser Frage geht man vergrabenen Wünschen nach, die normalerweise durch die Angst vorm Versagen unterdrückt bleiben. Der „hundertprozentige Erfolg“ ist wie ein Ventil, das sie freilässt.)
· „Wessen Güte hat dich in letzter Zeit angenehm überrascht?“, oder einfach: „Wofür bist du dankbar im Leben?“ (Hier geht’s um Dankbarkeit und die Werte, die uns am meisten bewegen.)
· „Wie sähe dein Leben in 3 Jahren aus, damit du rückblickend sagen kannst: Hab ich gut gemacht?“ (Besonders mit einem/einer Lebenspartner/in öffnet diese Frage den Träumen Tür und Tor. Natürlich müssen es nicht 3 Jahre sein. Bei 5 oder 10 oder 20 entstehen auch spannende Gespräche.)
Das sind wie gesagt keine alltäglichen Fragen für zwischendurch. Aber sie zeigen, wie viel Wucht eine Frage haben kann, wie viel Denken sie anstoßen kann, und dass man mit einer einzigen Frage ein abendfüllendes Programm schaffen kann. Wenn man nur will.
Vorsicht: Floskel! & Vorsicht: Rechtfertigungszwang!
Eine Warnung zum Abschluss: Offene Fragen sind zwar durch die Art der Fragewörter (wer, was, wann, welche, wofür etc.) definiert und haben dadurch auch eine typische Satzform, aber es geht um mehr als nur Grammatik. Manche Fragen sind nicht wirklich offen, auch wenn sie mit W beginnen.
„Wie geht’s dir?“, ist oft keine gute offene Frage (grammatikalisch gesehen ja, aber gesellschaftlich nicht), weil der soziale Druck, sie positiv zu beantworten, in vielen Situationen sehr hoch ist. Und so fällt diese Frage oft in den Bereich der Floskeln, wie auch die Antwort: „Ganz gut so, und dir?“ Damit ist man dann nicht in die Gedankenwelt des Gesprächspartners eingetaucht, sondern hat nur eine soziale Zeremonie erfüllt.
Das ist nicht unbedingt negativ, aber es lohnt sich, den Unterschied zu kennen. Wenn ich diese Frage also stelle, dann kann ich entscheiden: Ist es A) eine Floskel (bei der Arbeit z.B.) oder will ich B) eine ehrliche Antwort? Eine offene Frage ist es nur in Situation B.
„Warum … ?“ Dieses W-Wort wird zu oft in negativen Fragen verwendet:
· „Warum hast Du das getan?“
· „Warum hast Du ihr nicht geholfen?“ usw.
Das „Warum“ zwingt unsere Gesprächspartner in die Rechtfertigung. In seltenen Fällen entsteht auch durch eine Frage, die mit „warum“ beginnt, ein angenehmer Austausch. Meistens nicht. Große Vorsicht also mit Warum-Fragen.
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