Das Modell
Im Hörbuch hatte ich ein Modell aufgestellt, das die „Entscheider“ in unseren Gehirnen mit 6 politischen Parteien vergleicht.
Das ist, wie gesagt, eine didaktische Reduktion, die etwas veranschaulichen soll, das in der Realität viel komplexer ist.
Danksagung
Die Parteien-Metapher kommt von David Eagleman, der in seinem Buch The Brain – The Story of You schreibt:
„Ihr Gehirn ist wie ein neuronales Parlament, bestehend aus politischen Parteien – aus Rivalen, die um die Kontrolle des Staates kämpfen.“
Sapolsky
Die erste „politische Partei“ ist das autonome Nervensystem. Dass es mitentscheidet, ist jedem Neurobiologen klar, im Hörbuch anschaulich belegt, und wird spätestens beim Lesen von Robert Sapolskys Behave (deutscher Titel: Gewalt und Mitgefühl: Die Biologie des menschlichen Verhaltens) augenscheinlich.
Roth
Darauf folgen die drei Ebenen des limbischen Systems, die Gerhard Roth in Fühlen, Denken, Handeln mit beneidenswerter Klarheit seziert. In meinem Modell sind dies die Parteien zwei bis vier.
Der Trolley
Und zu guter Letzt habe ich dem präfrontalen Cortex (PFC) zwei Parteien zugeordnet, da z.B. das berühmte Trolley-Experiment im dlPFC und im vmPFC Aktivierungen auslöst, die auf verschieden geartete Problemanalyse- und Entscheidungsprozesse in diesen zwei Hirnarealen hinweisen.
Lokalisierungen
Im Hörbuch hatte ich Interessierten eine Beschreibung der Lokalisierungen versprochen. Kurz: Wo befinden sich denn diese „Parteien“ in Ihrem Gehirn?
1: Das vegetative Nervensystem
Das VNS erstreckt sich vom Hirnstamm übers Rückenmark bis in die Organe (peripheres Nervensystem). Drei wesentliche Bereiche sind:
· Das sympathische Nervensystem (SNS)
· Das parasympathische Nervensystem (PNS)
· Das enterische Nervensystem (ENS)
Ferner enthalten „der Hirnstamm und die Kerngebiete des Hypothalamus … die Haupt-Regelkreise für alle Komponenten des sympathischen und des parasympathischen Systems.”
(Die Wikipedia-Links dienen zur bildlichen Veranschaulichung.)
2: Das vorkonfigurierte emotionale Gehirn
· Die zentrale Amygdala
· Der mediale Hypothalamus
· Teile des mesolimbischen Systems
3: Das konditionierte emotionale Gehirn
4: LEK - Das lernende emotionale Gehirn
· Der Orbitofrontalkortex
· Der untere Temporalkortex
· Der vordere Temporallappen
5 & 6: vmPFC & dlPFC
Neurowissenschaftliche Forschung bringt gefühlt täglich neue Erkenntnisse.
Manchmal stellen diese auch das, was gestern noch die neuste Erkenntnis war, in Frage.
Und doch veranschaulicht das o.g. Modell etwas, das sich nie ändern wird – jedenfalls nicht für einige Millionen Jahre:
Unsere Gehirne, die uns Jahrmillionen evolutionärer Entwicklung beschert haben, beschäftigen in den meisten Situationen nicht einen Entscheidungsbefugten, sondern mehrere.
Und: Wer seine Beweggründe verstehen will, muss sein Gefühle verstehen. Das schreibt auch Roth in Fühlen, Denken, Handeln, wenn auch viel wissenschaftlicher ausgedrückt:
„Generell können wir also sagen, dass die Wirkungen von unten nach oben stärker sind als die in umgekehrter Richtung. Wir kommen also aufgrund der hier ausgebreiteten Kenntnis über die neuronalen Grundlagen affektiver Zustände zu der … Einsicht, dass Gefühle den Verstand eher beherrschen als der Verstand die Gefühle.
Das ist auch gut so, denn unsere konditionierten Gefühle sind ja nichts anderes als konzentrierte Lebenserfahrung.“
Was uns also in unseren Gesprächen dazu bewegt, das Eine zu sagen und das Andere nicht, uns so oder so auszudrücken, Gehörtes positiv oder negativ einzuordnen usw. – das sind die Ergebnisse Millisekunden-schneller Diskussionen unserer sechs Parteien, von denen, wie Sie aus dem Hörbuch wissen, die Mehrzahl emotional gesteuert sind.
Mehr darüber, wie emotional gesteuerte Entscheidungen den Verlauf Ihrer Gespräche beeinflussen, finden Sie hier:
Monatliche Updates aus den Neurowissenschaften: Was machen unsere Gehirne, wenn wir uns unterhalten? Warum laufen einige Gespräche wunderbar und andere – manchmal mir derselben Person! – entgleisen in einen Morast negativer Emotionen oder, schlimmer noch, kühler Abweisung.
Was hat das mit den 6 Parteien zu tun und wie können Sie es beeinflussen?
Hier erfahren Sie mehr.
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