Dressgate

Was wir sehen und sagen

Was hat visuelle Wahrnehmung mit unseren Gesprächen zu tun? Ganz einfach: So, wie wir die Welt wahrnehmen, beschreiben wir sie. Dressgate zeigt uns dabei, was passiert, wenn Wahrnehmungen, die wir also „objektiv wahr“ einstufen, sich nicht entsprechen. So sehen z.B. Menschen die Farben des Dressgate-Kleides verschieden. Manche sehen es blau und schwarz und andere weiß und gold.

Daraus entstanden, wie schon im Hörbuch erwähnt, heftige Streitgespräche. Warum? Weil wir fälschlicherweise annehmen, visuelle Wahrnehmung sei objektiv. Das ist sie nicht. Sie ist hochgradig subjektiv.

Das Wissen um die Subjektivität all unserer Wahrnehmungen lässt uns nur eine Option: Wenn Menschen die Welt anders sehen als wir, dann sollten wir sie dafür nicht beschimpfen, herabwürdigen oder anpöbeln, sondern wir sollten herausfinden, wie sie die Welt sehen und vielleicht sogar, warum genau so.

Das kann ein langer Weg sein, und die Zeit, Lust und Energie dafür haben wir nicht für jede beliebige Person. Aber den Menschen, die uns etwas bedeuten, sollten wir diese Zeit, Lust und Energie schenken. Wie kann ich einen Menschen liebhaben, wenn ich nicht bereit bin, mich auf den Weg zu machen in seine Welt? Wenn es mir egal ist, wie er oder sie tickt?

Bei den sogenannten „bistabilen Fotos“, von denen das berühmte Dressgate-Foto eines ist, kann man übrigens sehr wohl verstehen, woher die unterschiedliche Sichtweise kommt.

Wie im Hörbuch beschrieben, denken unsere Gehirne die Lichtverhältnisse in der Umgebung eines Objekts mit. Das sind bei Fotos allerdings sehr abstrakte Interpretationen, die unsere Gehirne da leisten müssen – und bei dem Dressgate-Foto ganz besonders.

Das Ganze basiert auf dem Bestreben des Gehirns, zu erkennen, welche Farbe ein Objekt wirklich hat, trotz sich verändernder Lichtverhältnisse. Mein Lieblingsbeispiel ist die rote Rose im schummerig-romantischen Kerzenlicht eines Restaurants. Das, was unsere Augen sehen, ist eine bräunliche Blüte mit vielleicht einigen ganz schwachen Rot-Tönen. Das, was unsere Gehirne sehen, ist eine rote Rose.

Diese interpretative Fähigkeit des Gehirns nennt man Farbkonstanz. Sie sorgt u.a. dafür, dass ich mich nicht im Restaurant erschrecke: „Das ist doch gar nicht die rote Rose, die ich für meine Frau gekauft habe – die hier ist ja braun!“

Aber, wie man an Dressgate und anderen bistabilen Fotos sieht: Die Interpretationskraft unserer Gehirne kann auch Verwirrung stiften. Z.B. auch bei diesem Schuh, den manche rosa und weiß sehen und andere blau und grau.

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